Einblicke in afghanische Wirklichkeit
Dr. Reinhard Erös berichtete über Afghanistan
Gespannt erwarteten die Oberstufenschüler der Kursstufen 1 des DBG und des Graf-Eberhard-Gymnasiums Bad Urach, was der Vortrag von Dr. Reinhard Erös (Mintraching) in der Neuen Aula des DBG bieten würde: „Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen – ein deutscher Arzt kämpft für die Kinder Afghanistans“ lautete der Titel. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Der aus den Medien bekannte Afghanistanexperte berichtete zwei Unterrichtsstunden lang pointiert über Afghanistan und von seinen Erfahrungen dort. Die Zuhörer bekamen einen Einblick in eine andere Welt, der in Erinnerung bleiben wird.
Bereits in den 80er Jahren hatte sich Dr. Erös bei den Mudschaheddin, die gegen die sowjetischen Invasoren kämpften, als Arzt Respekt erworben. Nun schilderte er, wie die Kämpfer ihn seinerzeit mit ihrem Leben schützten, damit er die Bevölkerung weiterhin behandeln konnte. Die Beschreibung des afghanischen Nationalsports Buskashi („Ziegen-Ziehen“) gab wohl selbst den größten Sportskanonen zu denken. Die Spiele dauern bis zu drei Tage und können schwere Verletzungen und manchmal Todesfälle verursachen. Erös verstand es, Respekt für die Besonderheiten der Kultur und Verständnis für die Probleme des Landes zu wecken.
Daher erläuterte er auch die unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten und die extremen Temperaturunterschiede, außerdem die Mischung unterschiedlicher Ethnien und Sprachen in dem Vielvölkerstaat. Viele überraschte, dass die in Afghanistan seit über tausend Jahren herrschende tolerante Ausprägung des Islam noch gar nicht so lange durch den radikaleren Wahhabismus aus Saudi-Arabien verdrängt wird.
Oft reicherte Erös, der Gründer und Leiter der privaten Hilfsorganisation „Kinderhilfe Afghanistan“, seinen Vortrag durch Kommentare an. So beklagte er zum Beispiel eine zu große Wehleidigkeit im ‚Paradies‘ Deutschland. Er kritisierte die Millionensummen für Fußballspieler und forderte eindringlich auf, sich politisch zu engagieren, um nicht anderen das Feld zu überlassen. Der Referent schreckte auch nicht vor deftigen Formulierungen und direkten Ansprachen zurück. Diese waren in dem Rahmen für manche unerwartet, lösten aber womöglich gerade deshalb Nachdenken aus.
Für viele erschreckend war schließlich, was Erös über das Ergebnis des NATO-Einsatzes in dem Land, der Unsummen gekostet hat, berichtete. Dadurch hätten sich die Lebensbedingungen im Land letztlich verschlechtert. Sofort drängten sich Fragen auf, wie das sein kann, welche Folgen das hat und was wir mit Afghanistan, einem entfernten Land, eigentlich zu tun haben. Erös erwähnte auch die 56 Opfer, die die Bundeswehr dort schon zu beklagen hat. Zudem seien bereits Hunderttausende Einwohner aufgrund der Verhältnisse geflohen, darunter viele nach Deutschland. Zur Sprache kam auch, dass Afghanistan ein Herkunftsland islamistischer Terroristen ist und dass eine Ursache die Perspektivlosigkeit der Bevölkerung ist.
Eine Patentlösung für die Probleme des Landes bot Erös nicht an. Er verwies aber auf die Erfolge seiner Hilfsorganisation. Diese hilft im Konsens aller örtlichen Beteiligten auch in schwierigen Gebieten und hat bereits 30 Schulen und sogar eine Universität gegründet. Offenbar hilft nur die Verbesserung der Bildungs- und Lebensbedingungen vor Ort. Am Beispiel seiner Hilfsorganisation zeigte er schließlich, wie viel man durch Eigeninitiative und Engagement bewirken kann.


