Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945)
Kindheit und Jugend
Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau als sechstes von acht Kindern in eine evangelische großbürgerliche Familie hineingeboren und wuchs als Sohn von Karl Bonhoeffer, Professor für Psychiatrie, und Paula von Hase, in Berlin auf.
Theologiestudium und Lehrtätigkeit
Nachdem der Kriegstod seines Bruder Walter (1918) ihm grundsätzliche Fragen des Lebens aufgeworfen hatte, begann Dietrich – für alle überraschend – das Studium der Evangelischen Theologie. Bereits im Alter von 21 Jahren schrieb er seine Doktorarbeit über die Kirche als religiöse Gemeinschaft (Sanctorum Communio). Nach seiner Vikarszeit in Barcelona 1928, qualifizierte er sich zum Hochschullehrer und legte das Zweite Kirchliche Examen ab. 1931 verbrachte er neun Monate als Stipendiat in New York am Union Theological Seminary, wo es bis heute Vorlesungen über Bonhoeffer und seine Theologie gibt. In New York lernte Bonhoeffer durch einen schwarzen Mitstudenten Kirchengemeinden von armen Schwarzen in Harlem kennen. Ihn beeindruckten biblisch fundierte Predigten und kirchliche soziale Arbeit. Beides motivierte ihn neu zur prägenden Auseinandersetzung mit der Bibel, insbesondere mit der Bergpredigt. Zurückgekehrt engagiert er sich in der ökumenischen Bewegung. Ökumene meint die Gemeinschaft aller Christen über nationale Grenzen hinweg; für Bonhoeffer ist sie Kennzeichen der Kirche Jesu Christi. Er wird Internationaler Jugendsekretär beim ‚Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen’, und nimmt an Jugendfriedenskonferenzen aktiv teil. Als Hochschullehrer an der Uni Berlin zieht er Studenten an, die später mit ihm bei der Bekennenden Kirche sind.
Christsein in Deutschland während des Nationalsozialismus
Am 15.11.1931 wurde Bonhoeffer zum Pfarrer an der Berliner St. Matthäus-Kirche ordiniert, wo er sich insbesondere für Arbeiterkinder aus einfachen Verhältnissen einsetzte und ihnen Freizeiten auf dem Lande ermöglichte. Manche von ihnen erinnerten sich selbst noch 40 Jahre später an ihren Konfirmator Bonhoeffer.
Dietrich Bonhoeffer war ein kritischer Beobachter der politischen Entwicklung. Bereits kurz nach der Machtergreifung durch den „Führer“ Adolf Hitler und die Nationalsozialisten hinterfragte er in einem Rundfunkvortrag am 1. Februar 1933 das Führertum. Im April 1933 fragte öffentlich in einem Vortrag er nach der Rolle der Kirche gegenüber den, vom Staat bedrohten, Juden und sagte, Judenchristen seien Teil der Kirche Christi, und die Kirche sei den Opfern jeder Gesellschaftsordnung verpflichtet. Von 1933 bis 1935 ist er als Pfarrer einer deutschen Gemeinde in London. Dort lernt er den anglikanischen Bischof Bell kennen, der ein Ökumeniker und Deutschlandfreund ist.
Bekennende Kirche und religiöser Widerstand
Mit dem Nazistaat wächst die Kriegsgefahr. Bei einer ökumenischen Konferenz auf der dänischen Insel Fanö ruft Bonhoeffer 1934 dazu auf, dass sich die Christen in Europa für Frieden einsetzen, um nicht wieder, wie im Ersten Weltkrieg, aufeinander zu schießen. Im selben Jahr war die „Bekennende Kirche“ (BK) entstanden. Sie war eine Widerstandsbewegung gegen die Vereinnahmung der Ev.Kirche und des Evangeliums durch den nationalsozialistischen Staat mithilfe der „Deutschen Christen“ (DC), welche die Entfernung von Juden aus Gesellschaft und Kirche und des Alten Testaments aus der Bibel forderten.
1935 berief die BK Dietrich Bonhoeffer zum Leiter des Predigerseminar Finkenwalde bei Stettin, einer Ausbildungsstätte junger Theologen. Neben Beschäftigung mit Bibelauslegung, Pfarramtsaufgaben und Gemeindebesuchen leitete er sie an zu spirituellem Leben (regelmäßige Bibelmeditation und Schweigezeiten) und führte sie zu einer belastbaren christlichen Gemeinschaft zusammen. Davon zeugen seine Bücher ‚Nachfolge’ und ‚Gemeinsames Leben’. 1936 bekam Bonhoeffer von den Nazis Lehrverbot, später folgte ein reichsweites Redeverbot. Nach der Schließung von Finkenwalde 1937 durch die Gestapo bildete er illegal weiterhin Vikare aus.
Politischer Widerstand
Im Sommer 1939 bekam er eine Einladung in die USA, wo man ihm Arbeitsmöglichkeiten anbot und er vor den Nazis sicher war. Er wollte sich aber nicht von der Gemeinschaft der „Brüder “, der jungen Theologen der BK, und von Deutschland trennen. Dies und ein intensives Hören auf biblische Tageslosungen („Komm noch vor dem Winter!“) bewogen ihn, vorzeitig zurückzukehren.
Nachdem Hitler im September 1939 den Zweiten Weltkrieg und parallel dazu mit Judenermordungen begonnen hatte, entschloss sich Bonhoeffer, sich mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi dem politischen Widerstand gegen Hitler anzuschließen. Als ziviler Geheimagent unternahm er1941/42 Auslandsreisen, um den Sturz der Naziregierung vorzubereiten. Bonhoeffer war klar, dass es Sünde sein würde, Hitler zu töten. Aber er sah die größere Sünde darin, den Massenmörder gewähren zu lassen. In den Zeiten zwischen seinen Reisen schrieb er an einer ‚Ethik’, in der es hieß: „Nun wird in der Welt gegen die Welt Stellung bezogen.“ Und er beteiligte sich an einer heimlichen Rettungsaktion für Juden.
Am 17. Januar 1943 verlobte sich Dietrich Bonhoeffer mit der 18-jährigen Maria von Wedemeyer. Im April 1943 wurden er und Dohnanyi verhaftet und als Regimegegner in Berlin inhaftiert.
In seinen Briefen aus dem Gefängnis Tegel fragt er, „was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist?“ Und es findet sich die berühmte Formulierung: „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen“. Später schreibt er: Es geht ums „Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben“. Das heißt für ihn, „sich in den Weg Jesu Christi mithineinreißen zu lassen.“ Dabei ist „nicht nur die Tat, auch das Leiden ... ein Weg zur Freiheit“. Glaube ist für Bonhoeffer: Teilnehmen am „Für-andere-Dasein“ Jesu.
Nach dem fehlgeschlagenen Stauffenberg-Attentat vom 20.7.1944 kam Bonhoeffers geheimes Engagement für den Widerstand zu Tage. Auf persönlichen Befehl Hitlers wurde er, zusammen mit fünf anderen Mitgliedern des Widerstands, am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg qualvoll erhängt. „Dies ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“ – so verabschiedete er sich von einem Mitgefangenen.
Die Briefe aus dem Gefängnis hat sein Freund Eberhard Bethge später (1951) unter dem Titel ‚Widerstand und Ergebung’ herausgegeben. Sie sind in über 20 Sprachen gedruckt – eines der beeindruckendsten christlichen Bücher im 20. Jahrhundert. Warum ist das so? Seine Briefe, Gedichte, Gebete, theologischen Bücher legen Zeugnis ab für die authentische Einheit, die Glauben und Leben bei Bonhoeffer bilden. Sein christlicher Glaube, den er in täglicher Bibellektüre nährte, veranlasste ihn zu seinem standhaften Einsatz für Mitmenschen und für den weltweiten Frieden. Dieser Einsatz macht ihn zu einem Vorbild für Christen und Nichtchristen.
(Helge Reibold)